Heimlich, still und leise – zumindest in Gamer-Kreisen weitgehend unbemerkt – haben die Second-Life-Macher Linden Lab vor einigen Tagen Versu im App Store veröffentlicht. Wohlgemerkt in der Kategorie “Bücher”.
Was ist Versu?
Bei Versu handelt es sich um die versuchte Neuerfindung der interaktiven Fiktion. Grundsätzlich klickt sich der Spieler durch eine ausgewählte (Kurz-)Geschichte und hat immer wieder die Wahl, etwas zu sagen, zu tun oder eben auch nicht. Während es bei bekannten Vertretern dieser Gattung (z.B. Choose-Your-Own-Adventure-Büchern) oftmals ohnehin beinahe nur in eine Richtung geht bzw. die Handlungsstränge nach bestimmten Entscheidungen strikt roman-artig vorgegeben sind, will Versu damit beeindrucken, dass die Charaktere, die nicht vom Spieler gesteuert werden, mit Hilfe einer “sozialen künstlichen Intelligenz” auf diesen reagieren. Zudem kann (fast) an jeder beliebigen Stelle eingegriffen werden, ob die NPCs ausgeredet haben oder nicht. Andererseits wird auch ganz ohne eigenes Eingreifen die Handlung weitergesponnen.
Gutes
Tatsächlich entwickelt sich im Verlauf einer Versu-Story eine hochinteressante Gruppendynamik, in der sich diverseste Anti- sowie Sympathien durch die Interaktionen zwischen den Charakteren entwickeln. Auch kann sich eine längere Handlung mit mehreren Charakteren – wobei jeder potenziell vom Spieler bzw. der KI kontrolliert werden kann – in verschiedenste Richtungen entwickeln und lädt zum mehrfachen Durchspielen ein. Kostenlos gibt es übrigens zwei kurze Einstiegsplots und die Schauergeschichte “The House On The Cliff”, in der eine ,zufällig aus einer ganzen Reihe illustrer Charaktere zusammengestellte, vierköpfige Gruppe in einem Geisterhaus landet. Letzere ist mit Abstand das interessanteste und vielseitigste der drei Start-“Bücher”.
Ungutes
Nach spätestens fünf Durchgängen ist jedoch auch bei der Horror-Story erstmal die Luft raus und man hat mehr oder weniger alles ausprobiert und gesehen. Dies liegt zwar in der Natur des geschichtenerzählenden Mediums, jedoch ist selbst die im Spiel als “lange” Geschichte bezeichnete Handlung nicht wirklich komplex oder ausufernd. Man darf gespannt sein, ob sich beim Entwickler da in Zukunft noch mehr in Richtung “Epik” getraut wird (übrigens ist auch ein Editor für eigene Geschichten angekündigt, vielleicht helfen also auch die potenziellen Fans aus). Die einzige momentan zusätzlich verfügbare und ebenfalls “lange” vierte Story kostet übrigens knappe fünf Euro, was für 2-3 Stunden – vor allem im App Store – schon relativ viel verlangt ist.
Abwarten und Tee trinken
Letztlich ist Versu zumindest ziemlich interessant und für Lau ist absolut nichts gegen einen Blick in die ersten drei Plots einzuwenden. Ob überhaupt etwas und was genau da in Zukunft noch kommt, hängt natürlich auch vom Erfolg ab. Zunächst scheint der Preis der zusätzlichen Story für App-Store-Verhältnisse etwas zu hoch, um die Vermutung größerer Verkaufszahlen zuzulassen. Schön wäre es natürlich trotzdem, wenn der Entwickler für diese mutige und innovative Veröffentlichung belohnt werden würde.
Also, erstmal abwarten und Tee trinken – so wie die Protagonisten in der Tutorial-Story… natürlich nur, wenn man es denn auch so will.
Klingt zwar ganz interessant, aber irgendwie erinnert mich das Konzept doch sehr an Facade: http://www.interactivestory.net/
Nur dass man da seine Antworten sogar selbst eingeben muss und man die Charaktere wirklich ständig unterbrechen kann. Die kürzeste Story, die man da erleben kann, ist, den Charakter gleich zu Beginn stark zu beleidigen, dann wird man direkt wieder herausgeworfen. 😀
Wie dem auch sei, der Rest erinnert an die gute alte Visual Novel, nur vermutlich ohne den Visual Anteil. 😛
Naja, bei Facade hatte ich immer den Eindruck, dass dieses Eintippen dann doch zu viel des Guten ist. Teilweise ist man da auch nur ein Fremdkörper und wird mit sehr allgemeinen Antworten im Prinzip mal schön ignoriert. 😛
Da ist Versu schon wesentlich diskreter und es gibt eigentlich immer Aktion und Reaktion.
Und der Unterschied zu den Visual Novels liegt dann vermutlich in der KI, die hier als etwas ausgereifter beworben wird (angeblich ist ja ein hohes KI-Tier von Sims 3 beteiligt).
Natürlich ist das hier keine Revolution, aber durchaus ein Ansatz von Innovation. Und in der heutigen Gaming-Welt kommt sich das ja schon beinahe gleich…
Joa, da hast du wohl alles in allem recht. Ich wollte es auch jetzt gar nicht schlecht reden. Aber ich sehe noch nicht ganz, wo das hinführen soll. Wie interaktiv kann man eine Geschichte schon machen? Das ist hier halt die Frage. Mal schauen, ob daraus noch was sinnvolles kommt, vor allem etwas für den Rest der Welt ohne Apple 😛
Für mich ist die noch interessantere Frage, wie dynamisch man das alles machen kann. D.h. wie andersartig spielen sich die Ereignisse ab, wenn ich das gleiche Spiel erneut starte? Das fasziniert mich ja momentan so dermaßen an King Of Dragon Pass. Natürlich ist das da halt alles viel epischer und hat mehr Raum, sich – immer wieder anders – zu entfalten als “nur” so eine Kurzgeschichte…
Übrigens: Versu für Android ist schon angekündigt. ^^
Vielleicht sollten wir uns das als Masterarbeit vornehmen. Zeitgleich die Arbeit anmelden mit dem gleichen Thema: “Dynamische Generierung interaktiver Geschichten mittels künstlicher Intelligenz” oder so. Das wäre ja wohl super genial 😀
Dieses King of Dragon Pass sieht nach wie vor ziemlich kompliziert aus, aber das ist ja nichts so neues bei deinem Spielegeschmack. ^^ Ich glaube, ich bin da doch lieber weiter etwas einfacher und erfreue mich an Tomb Raider oder so.
Sowas sollte man wirklich machen. Vor allem habe ich in letzter Zeit wirklich einige wissenschaftliche Arbeiten mit solchen oder ähnlichen Themen gesehen. Den ganzen Tag nur über Spielchen und Geschichtchen grübeln, wuhu! 😀
Ach, so kompliziert ist das gar nicht. Nach 1-2 Stunden YouTube-Videos war ich drin. ^^