Gedanken zu Hearthstone

HearthstoneLogo

Aufgrund der Tatsache, dass es nach wie vor kein richtig gutes (nicht asynchrones) Online-Spiel gibt, habe ich den Sprung ins säurehaltige Wasser gewagt und einige Tage mit der Hearthstone-Beta verbracht. Meines Erachtens ist es Blizzards bisher bestes Spiel.

Ich habe jeden Blizzard-Titel seit Diablo 1 bis zuletzt Starcraft 2 gespielt. Hier ist meine (heutige) Sicht der Dinge: Die eine Hälfte ihrer Spiele (namentlich die Diablos und World of Warcraft) sind furchtbare Grinding-Maschinen mit FarmVille-artigem Gameplay der Marke “Klicke Dinge an, bis sie verschwinden”. Klar, im Mehrspielermodus machen auch diese Titel durchaus mal Laune , aber eben als soziale Aktivität und nicht als ernsthaftes Spiel (ausgenommen das Teamwork in WoW-Raids, aber darum geht es eben die meiste Zeit nicht). Die andere Hälfte (die Warcrafts und Starcrafts) sind tatsächlich kompetitiv valide Spiele (und haben mit dem Battle.net das vielleicht beste Online-Gaming- und Matchmaking-System hinter sich), aber sie sind unheimlich chaotisch, unfokussiert und eben auch ausführungslastig (sprich: die physische Ausführung der Befehle dominiert häufig die eigentlichen Entscheidungen und die eigentliche Strategie). Es ist ein Jammer. Ich will damit sagen: Ich mag sie alle nicht (obwohl ich wohl mehr Stunden mit Blizzard-Spielen verbracht habe als mit irgenwas anderem).

Nun kommt Hearthstone daher und scheint die der schlimmste Release aller Zeiten zu sein: Ein “Free-to-play”-Sammelkartenspiel. Eleganz ist damit schonmal sofort außen vor. Riesige Mengen an Content hingegen sind garantiert (und das ist nichts Gutes!), genau wie unfairer Zufall und Grinding nach zufällig zusammengestellten “Booster-Packs”. Was soll ich sagen? So ist es dann eben auch wirklich! Und trotzdem ist das Spiel so viel besser als alle anderen Blizzard-Releases. Im Grunde allein deshalb, weil es ein (virtuelles) Kartenspiel ist und deshalb frei von all dem üblichen unklaren und ausufernden Videospiel-Spektakel-Mist. Hier finden sich erfreulich kleine Zahlen (in Sachen Gesundheit beziehungsweise Stärke der Einheiten), bei allen Abläufen ist vollkommen klar, wie und warum die Dinge so passieren (nebenbei sind das visuelle Feedback und das Interface phänomenal gut), es gibt viele interessante Interaktionen zwischen den Karten (da es gibt schon jetzt so viele gibt, war das wohl auch schwer zu vermeiden) und die Partien sind schön kurz (10 bis 20 Minuten) und verschwenden keine Zeit. Sogar an asynchrone Animationen hat Blizzard gedacht: Es darf so schnell geklickt werden wie gewünscht. Die Animationen werden parallel “aufgereiht” und dann abgespult, sodass glücklicherweise nie auf das Spiel gewartet werden muss, was meines Erachtens eine der schlimmsten Eigenschaften vieler moderner Titel ist.

HearthstoneUI

Solch eine Klarheit würde man sich bei Starcraft 2 auch wünschen.

Am wichtigsten ist aber, dass es tatsächlich interessante Entscheidungen im Spiel gibt. Natürlich wird das ganze System ziemlich heruntergezogen von Zufall, Asymmetrie und schlicht der (notwendig) übertrieben großen Menge an Komponenten. Aber es gibt eben trotzdem diese Momente. Meistens läuft es darauf hinaus, zu entscheiden, eine Karte sofort zu spielen oder eben zurückzuhalten, weil auf eine bessere Kombination in einer späteren Runde beziehungsweise einen vorteilhafteren Zustand des Spielbretts gehofft wird, um “mehr Wert” aus der Karte rauszuholen. Wer das Spiel noch gar nicht kennt: Es ist quasi ein runtergebrochenes und fokussierteres Magic: The Gathering. In bestimmten Situationen ist es wirklich uneindeutig, welcher Zug ultimativ der bessere ist. Ob ich eine Einheit sofort ausspiele, um nächste Runde mit ihr angreifen zu können oder sie zurückhalte, weil sie möglicherweise einen anhaltenden Effekt (wie kontinuierliches Kartenziehen) hat und ich sie lieber ein paar Runden mehr am Leben halten sollte. In letzterem Fall ist es möglicherweise sinnvoll, sie hinter einer “Spott-Kreatur” (die alle Angriffe auf sich zieht) zu verstecken und so weiter. Es ist natürlich nichts Weltbewegendes und nichts, das man nicht schonmal gesehen hätte (in anderen Sammelkartenspielen). Aber es funktioniert ziemlich gut.

Übrigens: Es gibt tatsächlich einen “fairen” Modus – die “Arena”. Dort wird das Deck semi-zufällig aus allen existierenden Karten ausgewählt (die eigene Sammlung spielt dabei also keine Rolle). Dann gilt es, möglichst viele Siege anzuhäufen, bevor dreimal verloren wurde (und somit gewissermaßen alle “Leben” aufgebraucht sind). Das ganze erinnert ein wenig an die “Draft-Tournaments” bei Magic. Allerdings kostet jeder Arena-Versuch dann auch Echtgeld oder In-Game-Gold (das man natürlich wiederum durch spielen des “normalen” Modus inklusive Deck-Konstruktion verdient). Ich habe ein wenig im Constructed-Modus herumgespielt und schnell genug Gold für mehrere Arena-Teilnahmen gesammelt. Wenn man überhaupt einen Unterschied bei F2P machen will zwischen “böse” und “richtig böse”, dann ist Hearthstone definitiv auf der “netteren” Seite.

Einen guten Nebeneffekt gibt es in jedem Fall: Dieses Spiel könnte einige Spieler an Karten- (und Brett-)Spiele heranführen, die ansonsten nie darüber nachgedacht hätten. Spieler, die süchtig nach Diablo 3 oder WoW sind, können hier einen kleinen Eindruck davon bekommen, wie ein tiefgründiger Entscheidungswettbewerb tatsächlich aussehen könnte. Natürlich ist Hearthstone das nicht, aber es ist ein Anfang (oder kann zumindest einer sein).

Fazit: Erstaunlich gut! 2 von 5.

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