Seit Januar diesen Jahres befindet sich Blizzards Sammelkartenspiel Hearthstone in der offenen Betaphase. Somit kann jeder Interessierte den Free-to-play-Titel herunterladen und anspielen. Obwohl ein endgültiger Release noch eine Weile auf sich warten lassen dürfte, hat sich schon jetzt eine beachtliche Fanszene um das Spiel gebildet. Duelle zwischen bekannten Streamern werden im großen Stil inszeniert. Sogar einen ganz offiziellen Hearthstone-Profi gibt es bereits. Im Folgenden soll die Faszination, die der Titel auf seine Spieler ausübt, näher beleuchtet werden. Im Rahmen dessen wird zunächst erläutert, weshalb das Gameplay unter der gewaltigen Last, die jedes CCG naturgemäß zu tragen hat, nicht zusammenbricht. Des Weiteren wird jedoch auch auf die Stärken des Spiels jenseits des Game-Designs an sich eingegangen, die dafür sorgen, dass es letzten Endes eine rundum sehr gelungene kompetitive Erfahrung bietet.
Ein überraschender Schneesturm?
Bei Blizzard handelt es sich um eines der bekanntesten Entwicklerstudios der Welt. Zumindest von ihren großen Reihen Diablo, Starcraft und Warcraft dürfte jeder passionierte Spieler schon einiges gehört haben. Das Spieleuniversum letzteren Titels diente zudem bereits als Vorlage für den immens erfolgreichen und medienwirksamen MMO-Ableger World of Warcraft. Auch für ihr neustes Werk haben die Kalifornier thematisch wieder in Azeroth gewildert. Der volle Titel lautet daher passenderweise Hearthstone: Heroes of Warcraft. Und so begegnen dem Spieler schon in den ersten Minuten des Tutorials zahlreiche mehr oder weniger liebgewonnene Charaktere, Monster und Zaubersprüche. Allerdings wird auch sofort klar, dass es diesmal nicht um wilde Action oder bombastisches Fantasyspektakel geht: Hearthstone ist ein digitales Kartenspiel. Somit bringt es all die Eigenschaften mit, die auch von einem typischen physischen Vertreter dieser Kategorie zu erwarten wären. Es ist rundenbasiert, enorm klar in seiner Mechanik und eher zurückhaltend, was große Effekthascherei angeht.
Auch wenn es auf den ersten Blick damit nicht so recht zu Blizzards vorhergehenden Titeln passen mag, kommt der scheinbare Umschwung nicht ganz überraschend. Zwischen 2006 und 2013 erschienen insgesamt über 21 Sets des mittlerweile eingestellten World of Warcraft Trading Card Games (kurz: WoW TCG). Erwartungsgemäß bedient sich Hearthstone bei diesem sowohl in Sachen Artwork als auch Spielmechanik an einigen Stellen sehr deutlich. Obwohl nicht alle langjährigen Fans des Echtkartenspiels glücklich mit dem Übergang sind, bringt die Digitalisierung auf lange Sicht einen eindeutigen Potenzialvorteil in Form der Online-Funktionalität mit sich. Nicht zuletzt deshalb erfreuen sich digitale CCGs in jüngster Vergangenheit auch immer größer werdender Beliebtheit. Es folgt für alle, die nicht mit dem WoW TCG beziehungsweise der “Mutter aller CCGs” Magic: The Gathering oder ähnlichen Titeln vertraut sind, ein kurzer Abriss des Spielablaufs.
Das grundlegende Gameplay
In einer Partie Hearthstone duellieren sich zwei Spieler, indem sie abwechselnd Karten aus ihrer Hand ausspielen. Bei diesen handelt es sich in der Regel entweder um Zauber, die unmittelbar Auswirkungen auf das Spiel haben, oder Diener, die zunächst auf das Spielfeld (sozusagen auf den virtuellen “Tisch”) abgelegt werden. Diener haben grundsätzlich einen Angriffswert und einen Vorrat an Lebenspunkten. Einige bringen auch Spezialfähigkeiten mit, die sich direkt dem Kartentext entnehmen lassen. Bekämpfen sich zwei Diener, so fügen sie sich gegenseitig jeweils ihren Angriffswert als Schaden zu. Sollten dabei die Lebenspunkte eines Dieners auf null sinken, ist er permanent aus dem Spiel. Selbstverständlich gibt es stärkere und schwächere Karten, weshalb jeder ihrer ungefähren Stärke entsprechende Manakosten zugeordnet werden. Der Manavorrat des Spielers steigert sich von einem Punkt zu Spielbeginn jede Runde um eins bis zu einem Maximalwert von zehn Manapunkten und wird jeweils zu Rundenbeginn vollständig aufgefüllt. Daraus ergibt sich in jeder Partie eine natürliche Spannungskurve (“Hinten wird die Ente fett!”).
Das Ziel des Spiels besteht jedoch nicht im Vernichten der feindlichen Diener, sondern dem des gegnerischen Helden selbst. Auch dieser ist mit 30 Lebenspunkten beständiger Teil des “Spielbretts” und kann – sofern keine speziellen Effekte es verhindern – jederzeit attackiert werden. Wie aus zahlreichen anderen CCGs bekannt gilt beim Angreifen jedoch die Regel der Einsatzverzögerung (“Summoning Sickness”), das heißt Diener können nicht unmittelbar angreifen, sondern erst in der nächsten Runde des jeweiligen Spielers. Es sei denn, sie haben die Fähigkeit “Sturmangriff”. Dieses Muster der “regelbrechenden” Spezialfähigkeiten zieht sich durch das gesamte Spiel und sorgt letzten Endes für dessen Interessantheit: Die optimale Nutzung der mit der aktuellen Kartenhand gegebenen Möglichkeiten ist eine teils äußerst komplexe Angelegenheit. Alle vorhandenen Fähigkeiten wollen in möglichst vollem Umfang ausgenutzt, keine Karten suboptimal beziehungsweise verfrüht ausgespielt oder gar unnötig verheizt werden.
Naturgemäße Vorteile
Mit beinahe jedem Pixel imitiert Hearthstone dabei ein physisches Kartenspiel: Karten werden bogenförmig animiert aus einem Deck herausgezogen und landen auf der “Hand” des Spielers am unteren Bildschirmrand. Allerdings bedient sich das Spiel nicht nur optisch bei den Vorbildern, sondern natürlich auch spielmechanisch. Dadurch fällt es unmittelbar in die Kategorie des Entscheidungswettbewerbs, nimmt jedoch zugleich all die Vorteile mit, die Brett- und Kartenspiele in diesem Bereich typischerweise gegenüber modernen Videospielen haben. Zunächst wäre da die Klarheit, die Transparenz der Mechanismen. Gerade gegenüber den weiteren Blizzard-Titeln fällt auf, dass hier rein gar nichts hinter audiovisuellem Spektakel versteckt wird. Die Interaktionen der Spielelemente sind stets vollständig und eindeutig nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass alle Zahlenwerte im Spiel angenehm klein sind: Diener haben hier eben einfach 4 oder 6 Lebenspunkte statt 2483. Des Weiteren sind all diese Werte im Spiel mit Bedacht gegeneinander ausbalanciert worden, sodass es stets mehrere Wege gibt, die zahlreichen Zauber und Diener einzusetzen. Schon eine Reduktion oder Erhöhung eines Angriffswertes um nur einen Punkt kann von entscheidender Bedeutung sein, was wiederum direkt für die Kohärenz des Systems spricht. Selbst die Aufwertung feindlicher Diener kann gegebenenfalls von Vorteil sein, um sie durch Zauber, die speziell gegen starke Monster gerichtet sind, angreifbar zu machen. Auch das Verletzen eigener Diener, um deren “Wutanfall”-Effekt auszulösen, ist eine valide Taktik.
Daraus ergibt sich auch, dass Hearthstone ein sehr effizientes Spiel ist. Jede Runde und jede einzelne Aktion ist von großer Bedeutung. Partien dauern dabei in der Regel gerade einmal zwischen 5 und 15 Minuten. Zeit verschwendet wird hier keine. Selbst an ein System asynchroner Animationen wurde gedacht: Die Spieler können Aktionen, schon bevor die aktuelle Animation zu Ende gespielt wurde, “aneinanderreihen”. Darüber hinaus ist Hearthstone ein verhältnismäßig elegantes (digitales) Spiel: Obwohl die Bedeutung des “Sammelns” wie ein Damoklesschwert der Komplexität über dem System schwebt, sind die grundsätzlichen Mechanismen leicht zu verstehen und gehen unmittelbar nach dem Tutorial oder spätestens ein paar Duellen gegen die KI in Fleisch und Blut über. Die aus dem Zusammenwirken der Elemente entstehende Tiefe ist jedoch mehr als beachtlich. Zudem bringt der schiere Umfang an verschiedenen Karten, von denen übrigens nicht wenige exklusiv einer bestimmten Klasse zur Verfügung stehen, nicht zuletzt auch die nötige Vielfalt ins Spiel, sodass die Spieler immer wieder vor neuartige Situationen gestellt werden.
Die (abgemilderten) Leiden des jungen CCG
Dafür sorgt des Weiteren jedoch auch der “gute” alte Zufall. Das Glück beim Kartenziehen ist natürlich auch in Hearthstone von nicht zu verachtender Bedeutung. Durch die ungleichen Decks, mit denen die Spieler antreten, wird dieses Problem jedoch potenziert. Es müssen nicht nur im richtigen Moment die richtigen Karten gezogen werden, sondern sich überhaupt erstmal im eigenen Deck befinden. Zu allem Überfluss werden nicht wenige Karteneffekte auch noch ausgewürfelt. Auch wenn das Verhältnis von Können und Glück im Spiel auf ungefähr 80 zu 20 geschätzt wird, ist das Feedback dadurch insgesamt doch nicht selten stark verzerrt: War es mein Können, das mich hat gewinnen lassen? Oder habe ich einfach glücklich gezogen? Oder hatte ich schon im Voraus gewonnen, da ich das offensichtlich bessere Deck ins Spiel gebracht habe? Natürlich gehört auch die gekonnte Deck-Konstruktion zur nötigen Kompetenz eines guten Spielers, allerdings stört bei diesem Argument die Art und Weise, in der neue Karten CCG-typisch – und so auch hier – bezogen werden.
Darin liegt dann auch Hearthstones vielleicht größte Schwäche – in der Grundeigenschaft des Sammelkartenspiels. Neue Karten für seine Sammlung bekommt der Spieler in aus fünf Karten zufällig zusammengestellten virtuellen “Booster-Packs”, die für Echtgeld oder (vornehmlich durch Siege erspieltes) Spielgold gekauft werden können. Selbstverständlich gibt es unterschiedliche Seltenheitsstufen, sodass der Paketkäufer besonders wertvolle Karten nur selten und natürlich unregelmäßig zu Gesicht bekommt. Mit diesem psychologischen Kniff will das Spiel (wie jedes andere CCG) zum Kaufen unverhältnismäßig vieler Pakete animieren. Doktor Skinners “operante Konditionierung” lässt grüßen. Viel schwerer wiegt jedoch, in welcher Form die Spieler somit an bessere Decks kommen: Einerseits können sie natürlich einfach mehr Echtgeld ausgeben, was absolut nichts mit dem Spiel selbst zu tun hat. Der andere – auf den ersten Blick vertretbarere – Weg führt über das Sammeln von Gold im Spiel. Allerdings bekommt dies auch nicht unbedingt der gute Spieler, sondern der Spieler mit viel Zeit zum “Grinden”. Zumindest wird dieses Vorgehen jedoch dadurch eingeschränkt, dass bloßes Gewinnen – im Gegensatz zur Erfüllung einer “Daily Quest” wie “Gewinne fünf Partien mit dem Schamanen” – eher wenig einträglich ist, das reine Grinden über die tägliche Aufgabe hinaus also eher ineffizient ist.
Daraus, dass das gesamte Geschäftsmodell eines jeden CCGs auf dem Verkauf dieser randomisierten Kartenpakete basiert, ergibt sich jedoch ein weiteres Problem, das in Zukunft auch Hearthstone schwerwiegend treffen könnte: Die Sammelsysteme haben einen niemals endenden Bedarf nach neuen Inhalten. Es muss also immer mehr Karten geben. Dies verschreckt auf Dauer nicht nur Neueinsteiger durch eine schlichtweg absurde Lernkurve (wer sich heutzutage erstmals mit Magic: The Gathering befasst, bekommt es mit über zehntausend Karten zu tun), sondern sorgt nach und nach auch dafür, dass vernünftiges Balancing ein Ding der Unmöglichkeit wird. Zu viel Content tut keinem Spiel gut, jedoch erst recht kein “Content um des Contents willen”, den es aber über kurz oder lang zwangsläufig geben muss, sollte Blizzard planen, das Spiel langfristig am Leben zu erhalten. Und davon ist allemal auszugehen. Momentan befindet sich Hearthstone noch in einem relativ übersichtlichen Zustand. Das Ausbalancieren der Klassen ist aufgrund der Masse an Karten bereits jetzt schwierig, jedoch gerade noch möglich. Dies könnte sich allerdings schnell ändern. Die erste große Erweiterung mit hunderten neuen Karten ist bereits in Arbeit.
Jenseits des Gameplays
Die Aspekte, bezüglich derer Hearthstone allerdings uneingeschränkt glänzt, liegen abseits des Game-Designs an sich. Blizzard sind seit jeher für den enormen Feinschliff, den sie ihren Titeln verleihen, bekannt. Diesmal haben sie sich jedoch selbst übertroffen. Das audiovisuelle Feedback ist brillant, gefühlt “greifbar” und bei jeder ausgeführten Aktion absolut klar. Die Präsentation ist enorm detailverliebt. Auf jedem “Schlachtfeld” lassen sich beispielsweise am Rande des Gebiets, in dem die Diener platziert werden, zahlreiche Interaktionen ausführen. So können ein Katapult abgefeuert, Türen geöffnet, Fenster zerbrochen und andere spielerisch zwecklose und doch witzige Kleinigkeiten manipuliert werden. Auch das Interface kommt der Perfektion nahe und ist so reduziert – und damit so klar – wie nur möglich, ohne jedoch trocken oder langweilig zu wirken. Die Steuerung ist absolut intuitiv und ermöglicht Blizzard-typisch mehrere Wege der Kontrolle: Karten können per Drag-and-Drop “in die Hand” – also an den Mauszeiger – genommen werden und auf das Spielfeld abgelegt oder alternativ einfach mit zwei Klicks – auf Karte und Feld – ausgespielt. An der unmittelbaren Oberfläche lässt das Spiel somit keine Wünsche offen.
Ein weiterer Glanzpunkt von Hearthstone ist die einwandfreie Online-Funktionalität. Dank der großen Spielerzahl lässt sich zu jeder Tages- und Nachtzeit innerhalb weniger Sekunden online losspielen. Nicht nur sind die Partien also erfreulich kurz, sondern die Spieler kommen auch beinahe verzögerungsfrei vom Menü ins Spiel. Übrigens laufen die Partien stets synchron ab: Beide Spieler haben jeweils 90 Sekunden, um ihre Runde auszuspielen. In der Regel geht es natürlich deutlich schneller. Die zuletzt vor allem auf Mobilgeräten populär gewordene Spielweise des asynchronen “Play-by-Mail”-Konzepts passt zwar hervorragend zum geschäftigen Zeitplan des modernen Gamers, bringt jedoch gewaltige Nachteile mit sich. Kaum einmal wird holistisch über eine gesamte Partie nachgedacht. Allzu leicht ist es, zwischen Partien und sogar verschiedenen Spielen hin und her zu springen. Das immer wieder erneute “Zurückdenken” in jede der teils über Wochen laufenden Partien erzeugt letztlich einen gewaltigen Mehraufwand. Dank der Kürze und unmittelbaren Verfügbarkeit der Partien ist der synchrone Ablauf bei Hearthstone kein Problem, sondern eine Stärke.
Matchmaking und Arena
Des Weiteren wurde auch ein sehr robustes Matchmaking-System implementiert. Sowohl im ernsthaften (“ranked”) als auch im nicht für die Rangstufe relevanten (“casual”) Spielmodus arbeitet ein Elo-artiges Bewertungssystem im Hintergrund, das jedem Spieler stets versucht, einen ungefähr gleich starken Gegner zuzuordnen. Dank der großen Spielerschaft funktioniert dies in der Regel auch ganz hervorragend. Das Rangsystem – in dessen Rahmen schrittweise 25 Stufen erklommen werden können – ermöglicht es zudem, kontinuierlich die eigenen Fortschritte zu beobachten. Damit das Spiel dabei stets möglichst fair und auch vielfältig in der Anzahl valider Strategien bleibt, überwacht Blizzard außerdem stetig die sich entwickelnden Spielweisen und stellt regelmäßig Balancing-Patches bereit. Diese braucht beinahe jedes kompetitive Spiel, das ausreichende Komplexität für langfristig interessantes Gameplay aufweist. Häufig wurden vielversprechende Titel kleinerer Entwickler in der Vergangenheit dahingehend – sicher auch aufgrund fehlender finanzieller Mittel – nicht zu Ende gedacht und der Support nach ein bis zwei Updates völlig eingestellt.
Wer viel Wert auf Fairness legt, für den könnte übrigens der alternative Spielmodus “Arena” sehr interessant und spannend sein. Gegen Echtgeld oder Spielgold kann ein Durchgang desselben gekauft werden. Dafür bekommt der Spieler einen theoretisch vollkommen fairen – wenn auch stellenweise sehr vom Zufall abhängigen – Spielmodus: Zunächst wird ein Deck aus allen existierenden Karten zusammengestellt, womit die eigene Sammlung in diesem Modus keinerlei Rolle spielt. Aus jeweils drei zufälligen Karten wählt der Spieler eine aus, die dann in das insgesamt aus 30 Karten bestehende Deck wandert. Ist dieser sogenannte “Draft” – der schon an sich eine Art Minispiel darstellt – abgeschlossen, darf gegen weitere Arena-Spieler angetreten werden, von denen jeder seinerseits gerade ein Deck zusammengestellt hat. Dies wird solange wiederholt, bis dreimal verloren wurde beziehungsweise maximal zwölf Siege errungen wurden. Dann ist es erstmal vorbei mit diesem Deck und je nach Siegzahl gibt es Belohnungen wie Spielgold oder Karten für die Sammlung. Wer eine ausreichend gute Serie abgeliefert hat, der wird sogar mit genügend Gold belohnt, um sich sofort wieder in eine weitere Runde Arena einzukaufen.
Schlussbemerkungen
Auch wenn Hearthstones eigentliches Systemdesign also ein zweischneidiges Schwert zwischen interessantem Basisgameplay und den üblichen CCG-Lastern ist, sorgt das “Drumherum” doch für eine kompetitive Online-Erfahrung, die qualitativ kaum ein anderer Titel erreicht. Selbst beim spielerisch deutlich stärkeren Outwitters müssen Abstriche gemacht werden: Es fehlt jede Möglichkeit, synchron zu spielen, mit dem Entwicklersupport ist es vorbei und Partien dauern – zumindest gefühlt – sehr lange. Die Vertreter des MOBA-Genres wie League of Legends bieten zwar teils auch hervorragende Online-Funktionalitäten, haben jedoch eine horrende Lernkurve. Hearthstone kann hingegen (zumindest noch) mit einem sehr flüssigen Spieleinstieg aufwarten. Konkurrenz aus eigenem Hause könnte von Starcraft 2 drohen, das allerdings ebenfalls unter der hohen Einstiegsbarriere (Stichwort: “APM”) und einem zumindest anhand der Kriterien eines Entscheidungswettbewerbs gemessen generell äußerst fragwürdigen Design leidet. In diesem Sinne ist Hearthstone eindeutig Blizzards bisher bestes Spiel.
Der “heilige Gral” des kompetitiven Spielens wäre natürlich ein Titel, der sowohl in Sachen Design und Gameplay als auch bezüglich der umliegenden Funktionalität vollkommen überzeugt. Dazu fehlt es jedoch noch an einer weiteren Verbreitung der Fortschritte in der Game-Design-Theorie der letzten Jahre. Insbesondere viele große Entwicklerstudios, die ohne Weiteres die Ressourcen hätten, um ein optimales Spielumfeld zu erschaffen, setzen momentan noch vornehmlich auf filmische Inszenierung und schwingen lieber den oberflächlichen “Technologiehammer” als sich ernsthafte Gedanken über ihr Gameplay-System zu machen. Hearthstone ist in dieser Hinsicht ein Lichtblick, der deutlich macht, dass Grafikbombast bei Weitem nicht alles ist. Zudem könnte es dafür sorgen, dass viele Spieler auf die Welt der Designer-Brett- und Kartenspiele (jenseits von Monopoly oder Risiko) aufmerksam werden, die ansonsten vielleicht niemals einen Blick über den Tellerrand der Videospiele geworfen hätten. Somit bleibt nur, sich diesmal ausnahmsweise vor Blizzard zu verneigen und nun weiter Arena zu spielen – zur Verkürzung der Wartezeit auf den “heiligen Gral”.