Wir sind Fabian Fischer und Dario Reinhardt. Wir sind Game-Designer. Und mit Crimson Company haben wir ein Kartenspiel erschaffen, das in vielerlei Hinsicht neue Wege geht.
Über die Jahre hinweg haben wir unzählige Stunden in alle möglichen analogen sowie digitalen Kartenspiele versenkt. Immer wieder befanden sich darunter herausragende Titel. Allerdings hatten wir auf lange Sicht dann doch stets einiges auszusetzen.
So stellten wir uns irgendwann folgerichtig die Frage: Warum nicht selbst ein Spiel entwickeln? Wir nahmen uns vor, die Stärken der Konkurrenz zu bündeln, ihre Schwächen ausmerzen und das Ganze mit unserer eigenen Note zu versehen. Im Folgenden werden wir die Entstehung der Spielidee nachzeichnen und stellvertretende Design-Entscheidungen auf dem Weg zur neuartigen Kernmechanik des “Board-Drafting” im Detail beleuchten.
Die Inspiration: Marktbeobachtungen
Schauen wir uns zunächst einige der fantastischen Spiele an, die uns – auf die eine oder andere Art – als Inspirationsquellen dienten.
Da wäre natürlich der Urvater aller Kartenschlachten Magic: The Gathering. Der starke Duell-Gedanke und die zugängliche Auslagerung eines Großteils der Spielregeln in die Kartentexte selbst sind nach wie vor Grundpfeiler der meisten modernen Designer-Kartenspiele. Daran wollten wir nicht rütteln. An der starken Relevanz des Glücks beim Kartenziehen (Stichworte “mana screw” und “mana flood”) allerdings schon.
Zudem störte uns die von den Partien losgelöste Zusammenstellung des eigenen Decks. Die Abhängigkeit der Spieler vom Umfang ihrer Kartensammlung sorgt dafür, dass in aller Regel schlicht keine faire Ausgangsbasis besteht. Darüber hinaus wird der Glücksfaktor durch besonders vorteilhafte oder ungünstige Matchups gegen bestimmte andere Decks abermals erhöht.
Ganz ähnliche Probleme hat auch Gwent. Allerdings reduziert es den Einfluss des Kartenziehens sowie die Auswirkungen zufälliger Effekten während einer Partie im Vergleich zu Magic oder Hearthstone erheblich. In der dadurch erhöhten kompetitiven Validität sahen wir einen Schritt in die richtige Richtung. Ein weiteres bemerkenswertes Element war für uns die innovative Rundenstruktur, die einiges an Dynamik und interessanten Entscheidungen ins Spiel bringt.
Es blieb jedoch die Problematik der vorkonstruierten Decks. Einen Versuch, diese zu umgehen, stellt das mit Dominion groß gewordene Genre der Deck-Building-Spiele dar. In diesen stellen die Spieler ihre Decks jedes mal neu als Teil des Kernspiels zusammen. Es gilt somit, Synergien zwischen den verschiedenen Karten während der eigentlichen Partien zu entdecken und auf den Deckaufbau des Gegners situativ zu reagieren. Da alle Spieler mit dem gleichen Deck starten, handelt es sich gegenüber klassischen Sammelkartenspielen um ein fundamental deutlich faireres Modell.
Dominion litt jedoch unter einem relativ statischen Draft. Bereits zu Beginn eines Matches waren alle verfügbaren Karten offen gelegt und die besten “Kombos” schnell ausgemacht. Der Rest war vornehmlich ein bloßes Runterspielen der somit festgelegten Strategie, das zudem durch die häufige Zirkulation der Kartenhände stark vom Zufall beeinflusst war. Insbesondere letzteres Problem konnten auch spätere Genre-Vertreter mit dynamischeren Draft-Varianten wie Ascension oder Star Realms nicht lösen.
Inspiriert von Deck-Building, Echtzeitstrategie und Schach entstand schließlich als eine Art Gegenentwurf Prismata, das großen Wert auf kompetitive Fairness legt. Spieler haben keine Sammlungen, Decks oder Kartenhände. Stattdessen stellen sie ihre Armee aus Angreifern und Blockern in jedem Spiel aufs Neue aus einer zufälligen Auswahl von Karten zusammen. Man könnte den Kernmechanismus des Spiels gewissermaßen als “Board-Building” bezeichnen.
Eine große Stärke des Spiels: Jede Partie erzeugt neue Situationen und Kartenkombinationen. Um ein Draft-Format handelt es sich im Unterschied zu den zuvor genannten Titeln allerdings nicht mehr. Beide Spieler greifen auf ihren eigenen privaten Vorrat an Einheiten und Gebäuden zu. Darin bestand für uns dann auch ein Ansatzpunkt: Die Spieler-Interaktion könnte noch direkter sein.
Darüber hinaus gibt es bei Prismata auch keinerlei Zufall oder versteckte Informationen. Dies führt zwar zu einem äußerst turnier- und E-Sport-tauglichen Spiel, setzt die Spieler allerdings auch unter Druck, Züge schon weit im Voraus durchzukalkulieren, was die potenzielle Spielergemeinde wiederum recht stark zuspitzt.
Zuletzt seien als wichtiger Einfluss noch die sogenannten Eurogames (auch “Designer Board Games”) erwähnt. Spiele wie Race for the Galaxy, Terra Mystica oder Through the Ages stehen für langfristige strategische Entscheidungen, den Aufbau sogenannter “Engines”. Immer wieder müssen Spieler evaluieren, wie viel Gegenwert sie für eine bestimmte Aktion über die gesamte Spieldauer erhalten werden.
Dabei handelt es sich um stark situative und tiefgründige Entscheidungen. Nicht nur spielt die Strategie der Gegenspieler eine Rolle, sondern auch die Abschätzung der Restdauer der Partie. Diese Tiefe geht jedoch häufig mit vielen Komponenten, einem entsprechend aufwändigen Setup, einem einige Einarbeitung erfordernden Regelwerk und langen, kräftezehrenden Runden einher.
“Das geht doch bestimmt angenehmer!”, dachten wir uns.
Die Vision: Ein faires Kartenspiel
Da standen wir also mit unserer Mäkelei. Nun galt es, konstruktiv zu werden, eine Vision zu entwickeln. Die jeweiligen Stärken unserer Referenzen wollten wir zu einem neuartigen Gesamtwerk kombinieren und dabei von uns als Design-Schwächen verbuchte Aspekte vermeiden. Das bedeutet, unser Spiel sollte:
- ein intensives, direktes Duell zwischen zwei Spielern abbilden,
- skill-basiertes Gameplay mit wenig – aber gerade genügend – Zufallselementen bieten,
- durch klare Kartentexte und ein elegantes Grundsystem enorm zugänglich sein,
- langfristig Spieltiefe und auch für Veteranen interessante Entscheidungen generieren sowie
- variabel sein, sodass sich jede Partie anders spielt als die vorherige.
Doch damit nicht genug. Darüber hinaus nahmen wir uns vor, ein absolut faires Metagame zu entwerfen. Zu Beginn einer jeden Partie sollte Chancengleichheit für beide Spieler bestehen. Es durfte somit keine privaten Kartensammlungen geben. Der Ausgang einer Partie sollte weder vom Besitz vieler Karten noch von der Konstruktion von Decks im Vorhinein abhängen. Ausschlaggebend für den Erfolg im Spiel sollten nur die während einer Partie getroffenen Entscheidungen sein.
Um all diese Anforderungen unter einen Hut zu bringen, entwickelten wir durch einiges Theoretisieren und anschließende Prototyp-Experimente einen neuartigen Kernmechanismus.
Der Kern: Board-Drafting
Am Anfang stand der Wille zu konsequentem Design: Wenn die Spieler schon keine eigenen Decks mit ins Spiel bringen, dann brauchen sie im Grunde auch gar keine Karten verdeckt auf der Hand zu halten. Schließlich ließe sich der kompetitive Gedanke dadurch zusätzlich stärken. Zugleich wollten wir die Spieler mit einem sich im Spielverlauf dynamisch verändernden Draft-Angebot konfrontieren, das sie sich gegenseitig streitig machen.
Die Folge: Erworbene Karten konnten aus diesem Angebot stets direkt ins Spiel kommen und künftige Entscheidungen beeinflussen – ganz ohne Umweg über Deck oder Kartenhand. Das Angebot sollte dann auch das einzige Zufallselement im Spiel sein. So würden die Spieler, wie für Kartenspiele typisch, immer wieder mit neuen Situationen umgehen müssen, den Glücksfaktor jedoch stets unter Kontrolle behalten.
Des Weiteren sollten Karten grundsätzlich persistent im Spiel verweilen, um die zu treffenden Entscheidungen im Verlauf einer Partie komplexer und interessanter werden zu lassen. Deshalb erlegten wir uns schon relativ früh in der Konzeptionsphase die Regel auf, dass jede Karte für einen Charakter stehen sollte.
Das “Board-Drafting” war geboren.
Die Einführung weiterer Kartentypen – etwa “Zauber” – wollten wir im Sinne der Zugänglichkeit vermeiden. Stattdessen würde jeder Charakter neben seinem “Körper” in Form eines Stärkewertes einen individuellen Effekt mit sich bringen.
Es blieb die Frage, wohin erworbene Karten eigentlich platziert würden. Hier hatte für uns eine relevante räumliche Struktur höchste Priorität. Schließlich sollte der aktuelle Spielstand anschaulich erfassbar sein und Entscheidungen nicht bloß vom mathematischen Wert einer jeden Aktion abhängen. So kamen wir schließlich zur Einteilung in drei Spielreihen (“Lanes”).
Um diesen Lanes maximale Bedeutung zukommen zu lassen, verknüpften wir sie direkt mit der Siegbedingung. Zwei von drei Lanes sollten für den Gesamtsieg gewonnen werden. Im Zuge dessen konnten wir somit auch gleich eine Gwent-artige Rundenstruktur einführen. Nur dass unsere Spieler um alle drei “Runden” zugleich kämpfen würden, wodurch noch mehr Dynamik und Entscheidungstiefe ins System kam.
Nicht nur sollte es regelmäßig eine valide Strategie sein, eine Lane gezielt aufzugeben. Auch eine Lane offen zu halten, konnte unter Umständen von Vorteil sein. Und da kam die Ökonomie ins Spiel. Wie in vielen Eurogames sollte es schließlich auch bei uns Engines geben, die Gegenwert über Zeit generieren und geschicktes Vorausplanen belohnen.
Natürlich bietet es sich an, solche Effekte an Ressourcen zu koppeln. Der Einfachheit halber sollte es bei uns nur eine zentrale Ressource geben. Diese musste jedoch so flexibel sein, dass die Abschätzung der Wertigkeit bestimmter Charaktere angesichts der bereits ausliegenden Karten immer wieder komplexe Evaluationen erfordern würde.
Kein leichtes Unterfangen.
Die Ökonomie: Dynamische Kartenkosten
Anfänglich experimentierten wir mit für jede Karte ausgeschriebenen “laufenden Kosten”. Je nachdem, wie hoch diese im Vergleich zum Gegner waren, sollten mehr oder weniger teure Karten spielbar sein. Somit würde stets eine Grundspannung bestehen, da kein Spieler uneinholbar davonziehen könnte. Allerdings führte dieses System nicht nur zu erschwerten Balancing-Bedingungen, sondern verlangte auch nach viel zu viel wenig spannender Rechnerei während einer Partie.
Einfacher wurde das System durch die Einführung einer von den Karten zunächst losgelösten Ressource: Münzen. Ein regelmäßiges Einkommen in jeder Runde gab uns auch gleich einen Ansatzpunkt für unsere Engines. Den Karten jedoch fixe Kosten zuzuweisen, erschien uns nach einigen Tests wenig sinnvoll. Schließlich variierte die Nützlichkeit einer Karte abhängig von der aktuellen Situation – nämlich dem bislang aufgebauten Board – teils erheblich.
Besser zu unserem dynamischen Board-Drafting-Kern passte hingegen die Abgabe von Geboten. So würden Spieler immer wieder situativ den Wert einer Karte für sie selbst sowie für ihr Gegenüber abschätzen müssen. Und auch das “Tauziehen” unserer ursprünglichen Idee konnten wir letztlich noch unterbringen. Denn auf ein Gebot sollte es nur zwei mögliche Reaktionen geben:
- Entweder wird die Karte dem Gegner zum gebotenen Preis, der daraufhin an die Bank gezahlt wird, überlassen.
- Oder aber es wird mit dem Gebot gleichgezogen und so die Karte erworben. Dann erhält der Widersacher jedoch nicht nur sein Gebot zurück, sondern auch die zum Gleichziehen aufgewendeten Münzen. Er bekommt also ein zusätzliches Einkommen in Höhe seines ursprünglichen Gebots.
Die Spieler haben somit stets den Anreiz, ihren Gegner vor eine schwere Entscheidung zu stellen. Ein gutes Gebot trifft genau den Sweetspot zwischen dem Nutzen, den die Karte für die eigene Seite hätte, sowie dem Preis, den der Gegenspieler bereit wäre zu zahlen. Zudem kommt es durch den hin und her wogenden Reichtum nicht selten zu dramatischen Wendungen und denkbar knappen Ergebnissen.
Der Prozess: Iteration an allen Fronten
Ein paar “Proof-of-Concept”-Prototypen später standen somit die Grundpfeiler unseres Spiels. Wir hatten ein Kartenspiel ohne Decks, verdeckte Hände und spezifische Kartenkosten erdacht. Ein solch neuartiges System braucht selbstverständlich unzählige Testläufe. Entsprechend gingen wir bei der weiteren Entwicklung stark iterativ vor.
Insbesondere bei den Karteneffekten wurde dabei deutlich, dass Streamlining Trumpf ist. Während wir uns zu Beginn noch an komplexen Combo-Systemen versuchten, stellten wir relativ schnell fest, dass wir an dieser Stelle gar nichts zu erzwingen brauchten. Im Grundsystem war genügend Komplexität und Potenzial für Synergien vorhanden, sodass wir die individuellen Fähigkeiten der Charaktere vergleichsweise einfach und elegant halten konnten. So wurde das Spiel über die Zeit auch immer zugänglicher und einfacher zu erlernen, ohne in der Tiefe einzubüßen.
Aus dem Feedback aus zahlreichen Playtests mit regelmäßig wechselnden Spielern (sowie einer “Print-and-Play”-Kampagne auf Kickstarter) ergaben sich zudem viele kleinere Optimierungen der Spielregeln. So tauchte beispielsweise immer wieder der Kritikpunkt auf, dass das zufällige Aufdecken der nächsten Karte im Angebot zu starken Einfluss auf das Spiel habe. Schließlich konnte der aktive Spieler sofort auf selbige bieten, während sein Gegner die verdeckte Karte nicht einmal in seine Pläne in der vorherigen Runde einbeziehen konnte.
Deshalb wird in der finalen Version des Spiels die kommende Karte stets als “Preview” aufgedeckt. Die kompetitive Natur des Spiels wird somit weiter unterstützt. Selbige testeten wir zudem anhand regelmäßiger Turniere unter Beteiligung diverser Hearthstone- und Magic-Veteranen während der Entwicklung unseres Prototypen.
Letzterer nahm langsam Form an. Schritt für Schritt fügten wir unser eigenes Artwork (angefertigt von Janna Sophia) ein und verfeinerten das Layout der Karten (mit Unterstützung von Mario Veltri).
Das Spiel: Crimson Company
Und so sieht unser Spiel dann letzten Endes aus:
Schon auf den ersten Blick ist zu erkennen, dass wir bei den Charakteren viel Wert auf Diversität und Vielfalt gelegt haben. Einerseits natürlich, um ein Zeichen zu setzen, andererseits aber auch im Sinne der möglichst klaren Identifizierbarkeit aller Karten.
Entsprechend wählten wir dann auch unser Setting: Im Spiel stellen beide Spieler ihren eigenen Söldnertrupp zusammen – von Paladinen oder Musketieren bis hin zu Ogern, Feen und anderen Fabelwesen. Die Mission dieser ungleichen Armeen ist die Machterweiterung ihrer Geldgeber durch die Infiltration und Eroberung der Mehrzahl an Burgen im Königreich.

Die Erstauflage im Überblick.
Inhaltlich ist die finale Fassung auf ein Kernset aus 30 verschiedenen Charakteren – und damit Karten – fokussiert. Durch die unzähligen möglichen Kombinationen der vier Karten im jeweiligen Angebot sowie der Reihenfolge des Decks ergeben sich jedoch bereits zig Varianten, wie eine Partie ablaufen kann.
Gewertet wird eine der drei Lanes, sobald ein Spieler mindestens vier Söldner versammelt hat. Wer zwei Lanes für sich entscheidet, gewinnt. Mehr müssen die Spieler tatsächlich nicht wissen, um mit dem Wettbieten loslegen zu können. Eine komplette Partie ist für erfahrene Spieler in 20 Minuten zu bewältigen.
Die Zukunft: Gutes Spiel, viel Erfolg?
Nach einem Jahr konzentrierter Entwicklung sind wir also zufrieden und angekommen, wo wir hin wollten. Die gesteckten Ziele erreicht das Spiel ohne verkopfte Design-Schnörkel. Den “Proof of Fun” erbrachten wir in zig Testrunden. Auch in Sachen Artwork und Layout hatten wir das Glück, mit äußerst talentierten Partnern arbeiten zu können.
Ob das Spiel letztlich auf großes öffentliches Interesse stößt, ist eine andere Frage. In jedem Fall sind wir jedoch der festen Überzeugung, mit diesem innovativen Projekt einen Teil zum Fortschritt des Kartenkampf-Genres geleistet zu haben. Und für uns als Game-Designer ist das schon an sich ein beachtlicher Erfolg.
Natürlich freuen wir uns dennoch riesig über jeden Besucher auf Facebook, Instagram oder unserem Discord-Server sowie jede einzelne verkaufte Box! Denn am Ende sind es die Spieler und die besonderen Momente, die sie während jeder Partie erleben, die Crimson Company Leben einhauchen.
Meins ist letzte Woche in der Post gekommen. Sieht gut aus, und danke für die Karten in Standardgrösse so dass meine MTG Sleeves passen.
Sehr cool! Die Sleeve-Kompatibilität war uns tatsächlich sehr wichtig. 🙂