Her Story: Zum Glück kein Spiel

Vor wenigen Wochen erschien Her Story für PC und iOS. Es handelt sich um eine in dieser Konsequenz selten gesehene Ausformung des Konzepts der interaktiven Geschichte.

HerStory

Im Grunde besteht das “Spiel” lediglich aus einer Sammlung kurzer Videoschnipsel aus diversen polizeilichen Verhören einer Frau. Der “Spieler” bekommt dazu eine Suchmaschine an die Hand, die es erlaubt, diese Clips aufzuspüren, indem ein in ihnen vorkommendest Wort eingegeben wird. Das ist im Grunde auch schon alles, was Her Story an Interaktion beinhaltet. Diese Reduziertheit ist allerdings auch dessen größte Stärke.

Das Potenzial interaktiven Storytellings liegt darin, sich eine Geschichte selbst “zusammenzureimen”. Ein klassisches Beispiel sind natürlich Detektivgeschichten und genau eine solche ist auch Her Story. Zwar geht es der Spielfigur letztlich nicht wirklich um die Lösung eines Falls, doch dieser Umstand gehört zur sich stückchenweise ergebenden Auflösung der zunächst enorm vertrackt wirkenden Situation.

Auch wenn Kleinigkeiten bewusst nicht vollständig durch die Clips erklärt werden, bekommt der Spieler über die Zeit ein immer klareres Bild davon, was vorgefallen ist. Es werden Vermutungen angestellt und wieder verworfen. Notizen helfen beim Überblick über die beteiligten Personen und möglicherweise wichtige Suchbegriffe. Letztere sind besser, je seltener sie in den Clips vorkommen, da immer nur fünf gleichzeitig angezeigt werden können. Ein wahlloses Suchen nach “and” oder “you” wird also nicht sehr weit führen. Stattdessen müssen die Hintergründe verstanden werden, um zur Vervollständigung des narrativen Puzzles zu gelangen.

Das Brillante: Bei Her Story lenkt nichts ab. Keine erzwungenen spielerischen Mechanismen stehen zwischen dem Publikum und dem aktiven Erleben der Geschichte. Es gibt keine Störmomente der Marke “Toll ist es nicht, aber ich mache es eben, damit die Story weitergeht”. Genau wie aufgesetzte Handlungsstränge bei vielen an sich auf die Mechanik fokussierten Spielen lediglich stören und den Flow beeinträchtigen, gilt dies auch umgekehrt. So und nicht anders kann interaktive Narration funktionieren. Klare Empfehlung für Story-Liebhaber und jeden, der sich im Ansatz akademisch mit Interaktionsdesign auseinandersetzen möchte!

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