Im Grunde ist es keine neue Erkenntnis: Der persönliche Geschmack führt uns durch die Welt der Unterhaltungsmedien. Dank ihm wissen wir, in welchem Gang der DVD-Abteilung wir uns wohl fühlen und welche Kategorie wir im Steam-Store auszuwählen haben. Ob die vermeintlichen Objekte der Begierde letztlich auch den erwünschten Gegenwert für etwaige Zeit- und Geldinvestitionen liefern, steht jedoch auf einem anderen Blatt. Im Fall von Videospielen gingen diesem Phänomen in den letzten Jahren einige Studien unter der Leitung Jason VandenBerghes auf den Grund. Deren Ergebnisse präsentierte er auf der GDC.
Demnach seien Persönlichkeit und Geschmack – beispielsweise abgebildet durch die “Big Five” – die primären Faktoren bei der Entdeckung neuer Spiele und der Kaufentscheidung. Beim aktiven Spielen verschöbe sich die Beurteilungsgrundlage allerdings in Richtung der deutlich objektiveren Selbstbestimmungstheorie (SDT). Der langfristige Wert eines Spiels basiere also auf der Befriedigung von Autonomie- und Kompetenzbedürfnissen sowie der sozialen Eingebundenheit der Spieler.
Es ist anzunehmen, dass diese Verschiebung der Perspektive auch der Grund für das Sterben der Demos ist. Die meisten Titel bieten klar kategorisierte, altbekannte Genrekost, also “more of the same”. Das funktioniert auf der Ebene des geschmacklichen Vorurteils natürlich hervorragend: “Ich bin ein Shooter-Fan, also interessiere ich mich für das neue Call of Duty!”
Ob die zigste Variation derselben Formel jedoch beispielsweise dauerhaft die Möglichkeit zum Kompetenzgewinn bietet, darf getrost bezweifelt werden. Eine Demo würde hier Schwächen entlarven und den objektiven Blick der potenziellen Kunden schärfen. Dies soll aus Herstellersicht vermieden werden. Stattdessen wird auf audiovisuelles Spektakel sowie die Popularität von Genre und Marke gesetzt.
Auf Spielerseite ist wiederum festzuhalten: Es lohnt, sich bereits vor dem Kauf mit einem Titel auseinanderzusetzen und über ein “Gefällt mir (nicht)!” hinaus zu gehen. Schon der Versuch einer Vorhersage des SDT-Urteils kann einen immensen Erkenntnisgewinn gegenüber dem bloßen Geschmacksurteil liefern – und damit dauerhaft die sinnvollere Verwendung der wertvollen Freizeit ermöglichen.
Es lohnt, sich nicht bloß an festgefahrenen Genregrenzen und den darauf aufsetzenden Empfehlungssystemen von Steam und Konsorten zu orientieren, sondern eigenständig auf langfristigen Gegenwert angelegte Einschätzungen zu entwickeln. Ein Umdenken in diese Richtung könnte die gesamte Industrie beeinflussen: Nachhaltige Innovation anstelle konservativer Effekthascherei.
I have a dream…
„Ich bin ein Shooter-Fan, also interessiere ich mich für das neue Call of Duty!“
Schlechtes Beispiel, gerade weil ich Shooter-Fan bin kann ich Call of Duty nicht ausstehen.
Dann lass es “Call-of-Duty-Fan” oder “Modern-Military-Shooter-Fan” sein und schon funktioniert es wieder.
Nicht auf Definitionen kommt es an, sondern auf Konzepte. 😉