Ein transparentes Spiel lĂ€sst sich von seinen Spielern in GĂ€nze erfassen – zumindest was die Mechanik betrifft. Es versteckt seine Regeln nicht in einer “Blackbox” oder hinter gigantischen Formeln, sondern generiert Herausforderungen durch strategisch-systemische Tiefe. Im Folgenden soll erlĂ€utert werden, welche Spiele nicht daran vorbeikommen, dem Design-Leitsatz der Transparenz zu folgen und welche Eigenschaften sie sich dabei konkret zunutze machen können.
Slowtalk Teil 2 – Ein Ruf nach Transparenz
June 23, 2017In der zweiten HĂ€lfte unseres Slowtalks widmen wir uns noch einmal konzentriert der Frage, aus welchen GrĂŒnden eine Spielmechanik denn nun als “veraltet” bezeichnet werden könnte und ob das wirklich in jedem Fall gegen selbige sprechen muss.
Gegen Ende hin breche ich in diesem Kontext auch eine Lanze fĂŒr einen heute leider vielerorts in Vergessenheit geratenen Design-Grundsatz:
Was mir bei vielen modernen Spielen grundlegend fehlt, ist die Transparenz. Sie nutzen ihre technologische Ausgereiftheit recht maĂ- und sorglos. Das geht auf Kosten der Klarheit der Regeln. Ich bewege einen Charakter aus zigtausend Polygonen mit ineinander flieĂenden Animationsphasen durch einen kontinuierlichen dreidimensionalen Raum. Ich ziele mit Schusswaffen in Ebenen aus praktisch unendlich vielen Punkten hinein und kann zu genauso vielen Zeitpunkten abdrĂŒcken. Die Bandbreite möglicher Aktionen ist alles, nur nicht diskret (wobei viele davon zuweilen kaum bis gar nicht relevant sind). Durch diese vermeintliche Freiheit verlieren meine konkreten Entscheidungen ein StĂŒck weit an IdentitĂ€t. Wirklich prĂ€zise Eingaben sind praktisch unmöglich und die komplexen Berechnungen im Hintergrund ohnehin eine Blackbox. Aus âdort hinâ wird âungefĂ€hr dort hinâ. Aus âzu genau diesem Zeitpunktâ wird âungefĂ€hr dannâ. Aus durchdachtem Vorgehen wird reine Reaktion. Statt intrinsisch motiviertem iterativem Lernen stehen die Reise durch den Content und das gefĂŒhlsmĂ€Ăige Erleben im Vordergrund.
Passend dazu sei an dieser Stelle noch einmal Soren Johnsons Vortrag von der GDC 2014 empfohlen.
Ludomedia #8
November 6, 2014Lesens-, hörens- und sehenswerte FundstĂŒcke aus der Welt der Spiele.
Aktuelles
All Due Respect: Press F for Farce
- Andrew Vestal erlÀutert kleinteilig, warum diese Szene aus dem neuesten Ableger der Call-of-Duty-Reihe zu den lÀcherlichsten gehört, die jemals in Videospielen zu sehen waren.
‘Reclaiming my soul’, or ‘Why I quit making free-to-play mobile games’
- Caryl Shaw spricht Probleme des “Free-to-play”-GeschĂ€ftsmodells so direkt an, wie es leider nur sehr selten der Fall ist. Sie habe wĂ€hrend ihrer Zeit in der F2P-Industrie zum Teil nachts nicht schlafen können, weil es sich derart falsch angefĂŒhlt habe. Sie wolle endlich wieder “vollstĂ€ndige” Spiele machen, die einer kritischen Analyse standhalten und von den Spielern ohne bitteren Beigeschmack genossen werden können. Eine schöne Erkenntnis ganz im Sinne der Kunst.
Smash Bros: What Makes a Party Game?
- Ludite Sam erklĂ€rt, was ein gutes “Partyspiel” auszeichnet, warum das gar nicht so weit von einem “guten Spiel” entfernt sein muss und wie sich Nintendo (insbesondere mit Mario Kart und Super Smash Bros.) in diesem Bereich schlĂ€gt. Dabei geht er auch auf den Unsinn ein, der hinter “Catch-up”-Mechanismen steckt und hinterfragt die Idee, dass ein Spielen “zum SpaĂ” von dem “fĂŒr den Sieg” strikt voneinander getrennt werden mĂŒssen.
Violence, Part 2: Game Design Ramifications
- Keith Burgun sprach im ersten Teil vor Kurzem die kulturellen Probleme an, welche die Glorifizierung von Gewalt mit sich bringt. Im zweiten Artikel zum Thema geht es um negative Game-Design-Implikationen, die eine gewalthaltige Thematik hĂ€ufig nach sich zieht. Da wĂ€re die Direktheit und damit in der Regel auch die Geistlosigkeit der Interaktion. Zudem wird KomplexitĂ€t und somit Interessantheit – insbesondere beim typischen “Töten” von Akteuren – im Spielverlauf eher reduziert als aufgebaut. Insgesamt stellt sich eine Gewalt-Thematik darĂŒber hinaus als stark limitierend im Bezug auf die kreative Freiheit des Designs heraus.
- Sam Coster von Butterscotch Shenanigans erlĂ€utert anhand persönlicher Erfahrungen, wie das “Free-to-play”-GeschĂ€ftsmodell Entwickler und Spieler in einen horrenden Widerspruch zueinander stellt, direkt die potenzielle QualitĂ€t des Game-Designs mindert und somit letztlich allen Beteiligten schadet.
Aus dem Archiv
A Study in Transparency: How Board Games Matter
- Soren Johnson sprach auf der diesjĂ€hrigen GDC ĂŒber den in seinen Augen zentralen Unterschied zwischen Brett- und Videospielen: Transparenz. Was können Designer digitaler (Strategie-)Spiele aus dieser Eigenschaft lernen? Wie hĂ€ngt das Ganze mit Eingabe- beziehungsweise Ausgabe-Zufall (bei Johnson “Pre-Luck” und “Post-Luck”) zusammen? Und was ist von “90000 Hitpoints” zu halten? Reinschauen lohnt sich!