Artifact, das neue Sammelkartenspiel von Valve und Magic-Erfinder Richard Garfield, verweigert seinen Spielern den Glutamat-Tropf. Es gibt praktisch keine Progression, keine ständige Karotte vor der Nase, keine regelmäßig garantierten Belohnungen für die investierte Zeit. Und ein nicht unerheblicher Teil des Publikums flippt ob des Fehlens dieser heutzutage absolut allgegenwärtigen Mechanismen völlig aus.
Ich war zu Gast im Märchenonkel-Podcast und habe mit dem famosen Artur darüber gesprochen, wie Spiele ihre Geschichten erzählen und was sie meiner Ansicht nach dabei beachten sollten.
Die folgenden Überlegungen widmen sich partienbasierten Single-Player-Spielen. In diese Kategorie fallen etwa Roguelikes, Civilization oder auch Tetris. Insbesondere wird es um ein sehr häufig vorkommendes Game-Design-Problem dieser Spiele gehen. Die zugrunde liegenden Analyse-Prinzipien lassen sich auch auf andersartige Spiele anwenden; vorerst sollen jedoch solch exquisite Titel wie Dead Cells, The Binding of Isaac oder FTL im Vordergrund stehen.
Wir sind Fabian Fischer und Dario Reinhardt. Wir sind Game-Designer. Und mit Crimson Company haben wir ein Kartenspiel erschaffen, das in vielerlei Hinsicht neue Wege geht.
Über die Jahre hinweg haben wir unzählige Stunden in alle möglichen analogen sowie digitalen Kartenspiele versenkt. Immer wieder befanden sich darunter herausragende Titel. Allerdings hatten wir auf lange Sicht dann doch stets einiges auszusetzen.
So stellten wir uns irgendwann folgerichtig die Frage: Warum nicht selbst ein Spiel entwickeln? Wir nahmen uns vor, die Stärken der Konkurrenz zu bĂĽndeln, ihre Schwächen ausmerzen und das Ganze mit unserer eigenen Note zu versehen. Im Folgenden werden wir die Entstehung der Spielidee nachzeichnen und stellvertretende Design-Entscheidungen auf dem Weg zur neuartigen Kernmechanik des “Board-Drafting” im Detail beleuchten.
Gehen wir im Folgenden einmal davon aus, dass Spiele im Idealfall das Leben ihres Publikums bereichern, indem sie intrinsische Motivatoren bedienen und immer wieder neue Erfahrungen bieten. Sie erweitern den Schatz an Lebenswissen, den ein jeder sich im Lauf der Zeit aufbaut. Sie sind tief auf eine ihnen urgeigene Art und Weise. Ein bewusster und kritischer Medienkonsum wird diese Erlebnisse in der Regel solchen vorziehen, die “bloĂź” Entspannung und kurzfristige Triebbefriedigung versprechen.
Es ist dabei im Einzelfall nicht ganz leicht, spezifische Werke auf Anhieb richtig einzuordnen, denn einige versuchen, Tiefe und Bedeutsamkeit zu suggerieren, wo keine ist. Dabei nutzen sie teils gezielt Schwächen des Gehirns aus. Sie machen “SpaĂź”, aber aus spielerisch fragwĂĽrdigen GrĂĽnden. Mehr Schein als Sein: Phantomtiefe.
Ob Playerunknown’s Battlegrounds (PUBG), Fortnite oder Realm Royale – das “Battle-Royale”-Genre ist ein Phänomen. Wöchentlich hagelt es Rekordmeldungen ĂĽber Spielerzahlen und Umsätze. Der Titel von Epic Games findet mittlerweile regelmäßig auch jenseits der Spielepresse in der Ă–ffentlichkeit statt. Was hat das Genre an sich, das Millionen von Spielern magisch anzuziehen scheint?
Nun äuĂźerte sich jedoch Autor und Industrie-Veteran Wolfgang Walk mit “The Myth of the Monomyth” in eine ähnliche Richtung und gesteht langjährige IrrtĂĽmer der Erzählspiel-Riege ein. In der passenden Folge seiner Kolumnen-Reihe “Wortreich” (verfĂĽgbar im Abo bei The Pod) lässt er sogar diesen bemerkenswerten Satz fallen:
“Im Nachhinein, muss man sagen, hatten die [Erzählspiel-Kritiker] wesentlich weniger Unrecht als wir [Erzählspiel-Verfechter] geglaubt hätten.”
Mark Brown betreibt mit Game Maker’s Toolkit einen der besten Gaming-YouTube-Channels. Immer wieder macht er einem breiten Publikum Game-Design-Prinzipien zugänglich und erläutert, warum bestimmte Spiele funktionieren und andere nicht.
Das gilt grundsätzlich auch fĂĽr sein oben verlinktes Video “How to keep players engaged”. Brown läuft in eine lobenswerte Richtung los, indem er klar stellt, dass er eben nicht ĂĽber all die psychologischen Druckmittel reden möchte, die die moderne Videospielelandschaft dominieren:
“I won’t be talking about games that use psychological tricks like Skinner Boxes, daily rewards, resource decay, loss aversion, and the like.”
Verantwortungsbewusste Designer sollten sich dieser Mechanismen nach Browns Ansicht nicht bedienen. So weit, so gut!
Into the Breach ist das neue Spiel der FTL-Macher Subset Games. Statt jedoch in pausierbarer Echtzeit ein Raumschiff samt Crew zu managen, übernimmt der Spieler diesmal drei Mechs mit verschiedenen Fähigkeiten und führt selbiges durch eine Reihe von Rundentaktik-Schlachten. Die erinnern, auch dank des Pixel-Looks, zwar auf den ersten Blick an Klassiker wie Advance Wars oder Final Fantasy Tactics, machen aber bei näherer Betrachtung einiges besser. Tatsächlich handelt es sich bei Into the Breach, von ein paar wenigen Schnitzern abgesehen, aus Game-Design-Sicht um einen herausragenden Titel.
In kaum ein Spiel habe ich auch nur ansatzweise so viel Zeit versenkt wie in Gwent – und das bereits während der Betaphase. Die GrĂĽnde sind bei näherer Betrachtung recht leicht auszumachen. Das Witcher-Kartenspiel folgt vielen Game-Design-Prinzipien, die in den letzten Jahren auf dieser Webseite besprochen wurden. Beispiele gefällig?