Geschichte und Spiel. Story und System. Eine immer wieder erneuerte Ehe voller Probleme und MissverstĂ€ndnisse. Achterbahnfahrten aus Streitigkeiten und Versöhnungsversuchen. So geht es zwar immer irgendwie weiter, allerdings fĂŒr keine der beiden Seiten auf wirklich befriedigende Art und Weise.
Die folgenden AusfĂŒhrungen gehen deshalb zunĂ€chst einen Schritt zurĂŒck. Ausgangspunkt ist Thomas Grips SSM-Modell. In dessen Rahmen werden die narrativen sowie systemischen Aspekte von Spielen treffend analysiert (“solve”). Der im Anschluss nötige Schritt der Synthese (“coagula”) wird allerdings nur recht ungenau dargestellt und fĂŒhrt weniger zu neuen Erkenntnissen oder PrĂ€zisierungen als zu einer bloĂen Beschreibung bestehender VerhĂ€ltnisse.
Dem sollen an dieser Stelle zwei konkrete Ergebnisse ludonarrativer Synthese entgegengestellt werden – mögliche synergistische BrĂŒcken zwischen zwei sich in der Theorie widerstrebenden Welten. Daraus werden des Weiteren zwei gleichermaĂen valide, jedoch fundamental verschiedenartige Game-Design-AnsĂ€tze abgeleitet.
Ein Hinweis auf ein Ă€lteres Kleinod aus aktuellem Anlass: Vor wenigen Tagen wurde auf dem YouTube-Kanal der GDC ein Vortrag von Frank Lantz aus dem Jahr 2014 erneut hochgeladen: “Hearts and Minds”.
Auch wenn der Vortrag sich keinen konkreten, “harten” Game-Design-Problemen widmet, begleitet mich seine zentrale Idee dennoch seit Jahren: Spielen als Sichtbarmachung des Denkens (“thought made visible to itself”).
Spielen bedeutet nicht nur, zu lernen, sondern auch ĂŒber das Lernen an sich zu lernen. Wir werden Zeuge unserer eigenen Gedanken und davon, wie sie sich immer wieder zu einem höheren VerstĂ€ndnis komplexer Problemstellungen zusammensetzen.
Wir interagieren, suchen Lösungen, scheitern, werden kreativ, passen unser Modell der Welt immer wieder entsprechend an und werden besser. Auf diese Weise bringen uns Spiele unserem Geist nÀher als kaum etwas anderes.
Darin besteht fĂŒr mich letztlich die Faszination des Mediums. Das ist es, wonach ich in Spielen suche und in deren Design strebe.
In einer seiner jĂŒngeren Kolumnen stellt Wolfang Walk fest, dass “fast jede wichtigere auch wirtschaftlich erfolgreiche und nicht technische Innovation der letzten Jahre” aus dem Indie-Bereich stammt.
Verwundern wird das niemanden ernsthaft. Angesichts wahnwitziger Budgets kommen neuartige Konzepte, und damit Risiko, fĂŒr AAA-Entwickler in der Regel gar nicht erst in Frage.
Tragisch ist das besonders aufgrund des rapiden Wachstums der Spieleindustrie in den vergangenen Jahrzehnten. Diejenigen, die mehr als genug finanzielle Mittel hĂ€tten, das Medium kĂŒnstlerisch in rasantem Tempo voranzutreiben, halten lieber die FĂŒĂe still. Statt den Weg in Richtung “Leitmedium” endlich auch inhaltlich – und nicht bloĂ auf dem Unterhaltungsmarkt – zu beschreiten, wird auf Nummer sicher gegangen und der zigste Aufguss etablierter Marken produziert.
Eine weitere Kritik an der Kritik. Diesmal am IGN-Review zu Destiny 2.
BegrĂŒĂt werden wir in der Video-Rezension nicht etwa vom Tester selbst, sondern zunĂ€chst von Dominus Ghaul. Seinem Namen entsprechend handelt es sich bei dem breitschultrigen Stahlschrank (der etwas an einen Space-Marine erinnert, dem beim Anpinseln seiner RĂŒstung die Farbe ausgegangen ist) natĂŒrlich um den Bösewicht des Titels. Entsprechend raunt er uns auch gleich ein tiefer gepitchtes “Willkommen in einer Welt ohne Licht!” entgegen. Wow! Einfach sowas von richtig böse, der Kerl!
Ein transparentes Spiel lĂ€sst sich von seinen Spielern in GĂ€nze erfassen – zumindest was die Mechanik betrifft. Es versteckt seine Regeln nicht in einer “Blackbox” oder hinter gigantischen Formeln, sondern generiert Herausforderungen durch strategisch-systemische Tiefe. Im Folgenden soll erlĂ€utert werden, welche Spiele nicht daran vorbeikommen, dem Design-Leitsatz der Transparenz zu folgen und welche Eigenschaften sie sich dabei konkret zunutze machen können.
RegelmĂ€Ăig werden Videospiele als das “Leitmedium unserer Zeit” bezeichnet. Möglicherweise sind sie auch die Lehrmethode der Zukunft, auch wenn (oder gerade weil) sie in dieser Hinsicht momentan noch weite Teile ihres gigantischen Potenzials verschenken. So oder so kommt die Politik langsam aber sicher dahinter, dass sie Games nicht dauerhaft ignorieren können wird. Im Gegenteil: Fördern will sie “hochwertige” und “kulturell wertvolle” Computerspiele. Was das allerdings konkret inhaltlich zu bedeuten hat, wird gerne einmal im Unklaren gelassen.
Da stellt sich natĂŒrlich sogleich die Frage, was Spiele denn eigentlich aussagen – und zwar vor allem, wenn sie dies tatsĂ€chlich durch ihr zentrales Merkmal, die Interaktion, tun. NatĂŒrlich können sie sich darĂŒber hinaus auch unzĂ€hliger Bedeutungsebenen bedienen, wie sie in anderen Kunstformen vorkommen: Dialog, Text, Musik, Architektur, Zwischensequenzen. Doch was sagt ein Spiel an sich als interaktives System aus?
In der zweiten HĂ€lfte unseres Slowtalks widmen wir uns noch einmal konzentriert der Frage, aus welchen GrĂŒnden eine Spielmechanik denn nun als “veraltet” bezeichnet werden könnte und ob das wirklich in jedem Fall gegen selbige sprechen muss.
Gegen Ende hin breche ich in diesem Kontext auch eine Lanze fĂŒr einen heute leider vielerorts in Vergessenheit geratenen Design-Grundsatz:
Was mir bei vielen modernen Spielen grundlegend fehlt, ist die Transparenz. Sie nutzen ihre technologische Ausgereiftheit recht maĂ- und sorglos. Das geht auf Kosten der Klarheit der Regeln. Ich bewege einen Charakter aus zigtausend Polygonen mit ineinander flieĂenden Animationsphasen durch einen kontinuierlichen dreidimensionalen Raum. Ich ziele mit Schusswaffen in Ebenen aus praktisch unendlich vielen Punkten hinein und kann zu genauso vielen Zeitpunkten abdrĂŒcken. Die Bandbreite möglicher Aktionen ist alles, nur nicht diskret (wobei viele davon zuweilen kaum bis gar nicht relevant sind). Durch diese vermeintliche Freiheit verlieren meine konkreten Entscheidungen ein StĂŒck weit an IdentitĂ€t. Wirklich prĂ€zise Eingaben sind praktisch unmöglich und die komplexen Berechnungen im Hintergrund ohnehin eine Blackbox. Aus âdort hinâ wird âungefĂ€hr dort hinâ. Aus âzu genau diesem Zeitpunktâ wird âungefĂ€hr dannâ. Aus durchdachtem Vorgehen wird reine Reaktion. Statt intrinsisch motiviertem iterativem Lernen stehen die Reise durch den Content und das gefĂŒhlsmĂ€Ăige Erleben im Vordergrund.
Passend dazu sei an dieser Stelle noch einmal Soren Johnsons Vortrag von der GDC 2014 empfohlen.
DrĂŒben auf Spielkritik.com (das ĂŒbrigens jeder, der diese Worte liest, in seinem Newsfeed haben sollte) gibt es ab sofort den ersten Teil eines neuen Slowtalks zum Thema “Veraltete Spielmechanik” zu lesen. Sylvio Konkol fĂŒhrt durch die ĂŒber etwa zwei Wochen hinweg entstandene Diskussion unter Beteiligung von “FrĂŒhstĂŒckszocker” Patrick Pohsberg, Pascal Wagner von Indieflock.net sowie meiner Wenigkeit.
Zu Beginn belauern wir das Thema aus diversen Richtungen: Braucht es eine manuelle Kamerasteuerung? Ist die Ubisoft-Formel nun modern oder ĂŒberholt? Erziehen Spiele uns zu FleiĂarbeitern? Und was hat der Kern einer Spielerfahrung mit “fortschrittlicher Mechanik” zu tun?
“Spielestorys in der Krise”, proklamiert der GameStar-Podcast im Titel seiner vierten Episode. “Wo auch sonst?”, möchte man entgegnen. SchlieĂlich weisen jene passiv-cineastisch erzĂ€hlenden Spiele mit vorgefertigten Autorengeschichten, die heutzutage Action-, Rollen- und Abenteuerspiele prĂ€gen, nicht wenige inhĂ€rente Konflikte auf. Dennoch haben die Podcaster sogleich das Ergebnis einer Umfrage unter den Lesern ihres Magazins zur Hand, das die Bedeutung dieser Form der ErzĂ€hlung fĂŒr das Medium zu bestĂ€tigen scheint. Die dabei implizite Aussage: “Da sieht man, die Leute wollen das so!”
“If the audience knew what they needed, they would not be the audience; they would be the artists.”
(The Mindscape of Alan Moore)
Doch was, wenn wir es hier lediglich mit einem schönen Beispiel fĂŒr die normative Kraft des Faktischen zu tun haben? Denn in der Tat sind Titel wie The Last of Us, Uncharted oder Mass Effect vor allem fĂŒr ihre passiven QualitĂ€ten zu bewundern, fĂŒr ihr Gameplay allerdings weniger. Auch die Kampagne eines Call of Duty lĂ€sst sich kaum noch mit anderen Worten beschreiben als ein Film von Michael Bay. Will sagen: Eben weil Videospiele ein sehr junges Medium sind, dessen erfolgreichste Vertreter sich noch stark am reiferen (vermeintlichen) Brudermedium Film orientieren und zu Gunsten von Narration und audiovisuellem Bombast auf generisch-flache Spielmechanik setzen, meinen die Spieler, das hĂ€tte so schon seine Richtigkeit.
Spielephilosoph und Literaturprofessor Ian Bogost ist mit seinem kĂŒrzlich veröffentlichten Artikel jedenfalls nicht der erste, der sich in folgender Weise ĂŒber diese Gattung der erzĂ€hlenden Spiele Ă€uĂert:
Bei den Kollegen von Zockwork Orange erstrahlt mit “Warum spielen wir wirklich?” seit heute ein schon etwas Ă€lterer Beitrag von mir im frischen Glanz der Wiederveröffentlichung.
Auf Twitter gab es sogleich einen sehr netten Kommentar! đ