Ist die Spielgattung der Entscheidungswettbewerbe tatsächlich langsam aber sicher auf dem Vormarsch? Zumindest das zuletzt immer häufigere Auftauchen digitaler Originale aus diesem Genre könnte darauf hindeuten. Nicht länger sind passionierte Strategen auf größtenteils iOS-exklusive Brettspielumsetzungen angewiesen, um den Durst nach durchweg gutem Gameplay zu stillen. Beweise gefällig?
Aerena: Schon seit Mitte des Jahres ist dieses “Free-to-play”-Taktikspiel auf Steam verfügbar. Seither wurden unzählige Balancing-Probleme behoben, die Menüs sind deutlich gradliniger geworden und die Kampfanimationen laufen erfreulicherweise um ein Vielfaches schneller ab. Aerena hat sich somit mit seinem Hearthstone-artigen Online-Rankingsystem und einer treuen Spielerschaft zu einem grundsoliden Titel für Rundenstrategen gemausert. Natürlich nervt das Geschäftsmodell. Für sich definitiv lohnende und verglichen mit den meisten anderen F2P-Games sehr günstige 30-40€ sind jedoch beinahe alle Inhalte sofort zu erstehen, ganz ohne “Grind”. (Link)
Auro: Nach mittlerweile fast 2 Jahren intensiven Spielens kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass es sich hier meines Erachtens um das beste Single-Player-Spiel aller Zeiten handelt. Die Vielfalt der taktischen Möglichkeiten ist enorm, die Variation der Herausforderungen praktisch unendlich. Dazu lässt sich eine volle Partie in durchschnittlich 10 Minuten spielen, verschwendet dabei kaum eine Runde und der dynamische Schwierigkeitsgrad sorgt dafür, dass die Siegquote sich stets um 50 % bewegt (Stichwort: “Flow”). Bis auf ein paar kleine Bugs, die jedoch seit Android-Relase durch sehr regelmäßige Updates bekämpft werden, macht Auro alles richtig. Bleibt nur zu hoffen, dass auch die Versionen für iOS und PC möglichst bald erscheinen! (Link)
Prismata: Das selbsternannte “rundenbasierte Starcraft ohne Map” befindet sich zur Zeit in der geschlossenen Betaphase. Für einen Key kann sich unter anderem im hauseigenen Subreddit, während der regelmäßigen Live-Streams der Entwickler sowie durch eine Newsletter-Anmeldung beworben werden. Tatsächlich handelt es sich hier um eine Mischung aus Schach (es gibt keinen Zufall und kein Glück, dafür perfekte und offene Information), Dominion (jede Partie enthält andere Einheiten und fordert die Anpassungsfähigkeit der Spieler), Magic: The Gathering (Ressourcen müssen effizient genutzt werden, um Einheiten ins Spiel zu bringen) und eben Starcraft (das Triumvirat aus Ökonomie, Technologie und Krieg steht im Fokus). Die Partien sind kurz, die Spieltiefe gigantisch. Mittlerweile zehntausende Interessenten lassen zudem auf eines der spannendsten E-Sports-Phänomene unserer Zeit hoffen. (Link)
Kurze Eilmeldung! Vor wenigen Tagen ist Catchupim App Store erschienen. Dabei handelt es sich um ein abstraktes Verbindungsspiel von Nick Bentley. Dieser betreibt einen der interessantesten und wertvollsten Game-Design-Blogs überhaupt (auf dem er sich auch ausführlich und kritisch mit seinem Schaffen auseinandersetzt).
Dementsprechend besitzt Catchup auch genau die Eigenschaften, die man von einem gut designten Spiel erwarten kann: Es ist enorm elegant, innerhalb einer Minute zu erlernen, entfaltet jedoch eine gewaltige Spieltiefe. Es ist schnell, effizient und frei von jeglichen Ablenkungen vom Kernmechanismus – dem Platzieren von Hexagonen zur Erschaffung möglichst großer zusammenhängender Gruppen. Der geniale Kniff: Der “Catchup”-Mechanismus. Wer seine Gruppe größer macht, schenkt dem Gegner Bonus-Steine. Es geht um Timing, es geht um Positionierung und vor allem um das Zusammenspiel dieser beiden Elemente. Es entwickelt sich ein wunderbares Duell voller schwieriger Entscheidungen und strategischer Abwägungen. Jedem ernsthaften Strategen sei der Download ans Herz gelegt!
Digital umgesetzt wurde das Spiel übrigens von Martin Grider, welcher zuvor schon für die absolut großartige Umsetzung von For The Win zuständig war. Catchup setzt die Messlatte jedoch noch deutlich höher: Online-Multiplayer, eine sich dynamisch an den Spieler anpassende und extrem gute KI, ein vollkommen problemfreies Interface, detaillierte Statistiken – eben alles, was der geneigte Stratege so braucht. Ganz große Kunst!
Empire besteht aus taktischen, kartenbasierten Gefechten (links) und einem strategischen Erkundungs- und Aufbauteil in 4X-Manier (rechts).
Der visionäre Game-Designer Keith Burgun (100 Rogues, Auro) hat sich mit den Crazy Monkey Studios zusammengetan und vielleicht das erste wirklich effiziente und elegante 4X-Spiel überhaupt erschaffen: Empire. Das Spiel streicht die beinahe traditionellen Genre-Schwächen komplett (z.B. das sich wie Kaugummi hinziehende “End-Game” oder das oberflächliche und glückslastige Kampfsystem) und behält nur das Beste bei und legt seinen kompletten Fokus darauf (z.B. das spannende Erkunden der Map zu Spielbeginn oder die Stadtgründung).
Interessante Entscheidungen sind hier während der ungefähr einstündigen Partien somit am laufenden Band zu treffen. Zudem enthält das Spiel eine interessante Deck-Building-Mechanik, wie man sie von Dominion, Ascension und Co. kennt, die eng mit dem taktischen Kampfsystem verknüpft ist: Das erfolgreiche Besiegen oder Ausmanövrieren (den die Kämpfe basieren in weiten Teilen auf der geschickten Positionierung der eigenen Einheiten) von Monsterhorden eröffent die Möglichkeit, zusätzliche Karten in das eigene Deck zu integrieren, die wiederum gänzlich neue taktische Möglichkeiten eröffnen. So ist es zugleich psychologisch belohnend und von großer strategischer Bedeutung, nach der erfolgreichen Schlacht eine “Metor”-Karte zu ergattern. Hier werden nicht einfach Zahlen (“Stats”) erhöht, sondern im Spielverlauf ganz neue Mechanismen eröffnet. Allerdings wird das Deck auf der anderen Seite mit der Zeit auch immer ineffizienzer und unfokussierter (eben genau wie ein schnell wachsendes Reich, in dem die Dekadenz aufkommt). Dem kann jedoch seinerseits durch bestimmte Aktionen entgegengewirkt werden, die das Deck wieder verkleinern, indem wertlose Karten entfernt werden.
Die Umsetzung des Titels für weitere Plattformen (zunächst und schon in Kürze Android) sowie die langfristige Verbesserung von Balancing und Spielmechanik durch Updates ist des Weiteren fest eingeplant.
Schon längere Zeit wurde mir Outwitters aus spielerisch äußerst zuverlässigen Quellen empfohlen. Nicht nur des Spielspaßes wegen, sondern auch und insbesondere, weil aus Designer-Sicht einiges vom Rundenstrategiespiel aus dem Hause One Man Left zu lernen sei. Nun habe ich es also endlich geschafft, einen genaueren Blick auf das nach außen farbenfroh wirkende, unterliegend jedoch taktisch äußerst anspruchsvolle Spiel zu werfen. Und tatsächlich handelt es sich um ein digitales Vorzeige-Design, das den Großteil der Videospiele der letzten Jahrzehnte mit Leichtigkeit in den Schatten stellt. Zudem bestätigt es, wie schon unzählige Brettspiel-Umsetzungen zuvor, erneut die von immer mehr ernsthaften Spielern und Designern vertretene These, dass iOS – und insbesondere das iPad – die beste digitale Spieleplattform unserer Zeit ist.