The Witness: Ein wegweisender Sonderling

February 2, 2016

TheWitness

This game respects you as an intelligent player and it treats your time as precious.

Obiges Zitat stammt aus der Beschreibung von Jonathan Blows neuestem Streich The Witness auf Steam. Allein die Tatsache, dass sich heute mit einer solchen Aussage werben lässt, offenbart, dass es sich nicht etwa um einen selbstverständlichen Standard des Mediums handelt, sondern um einen von den allermeisten Spielen vollends missachteten Grundsatz. Umso erfreulicher, dass sich die mutige Ausrichtung des Titels auch finanziell auszuzahlen scheint. Das Spiel verkaufte sich innerhalb einer Woche häufiger als sein “Vorgänger” Braid im ersten Jahr.

Tatsächlich steht The Witness ganz im Zeichen von Blows über Jahre hinweg entwickelter Design-Philosophie. Es setzt konsequent auf intrinsische Motivation. Die Belohnung liegt in der Lösung der unzähligen Rätsel selbst und der schrittweisen Erschließung ihrer gemeinsamen “Puzzlesprache”. Die Faszination liegt dabei in der Beobachtung des diese Sprache betreffenden Lernprozesses an sich selbst. Der Spieler wird gewissermaßen zur Cleverness erzogen. Die heutzutage fast schon gewohnheitsmäßige Suche nach extrinsischen Motivatoren wie Achievements, Levels, Unlocks oder Zwischensequenzen stellt sich schnell als vergebens heraus.

In der heutigen Spielelandschaft steht The Witness als Aufruf, interaktive Systeme als solche ernst zu nehmen und nicht bloß als Transporteure übergeordneter Kunstformen (Erzählung, audiovisuelle Ästhetik etc.). Darüber hinaus trifft es als Ode an Intellekt, Wissenschaft, Kreativität und deren Verschmelzung jedoch auch eine Meta-Aussage jenseits der Sphären des Game-Designs in bester Tradition von Donald Knuths Verständnis des Kunstbegriffs:

We should continually be striving to transform every art into a science: in the process, we advance the art.


Unsicherheit in Spielen

August 24, 2014

LittleSisterCut

Im alltäglichen Leben ist Unsicherheit nicht sonderlich gern gesehen. Im Gegenteil: Wir wollen uns bei allem, das wir tun, zweifelsfrei sicher sein, dass es auch zum gewünschten Ergebnis führen wird. Beim Spielen sieht das jedoch gänzlich anders aus. Bei absoluter Sicherheit, wenn es nichts mehr zu entdecken oder herauszufinden gibt, ist das Weiterspielen für uns in aller Regel vollkommen uninteressant. Während wir im echten Leben stets nach Sicherheit streben, ist diese somit der Tod eines jeden Spiels. Deshalb ist es für Game-Designer und -Analytiker von größter Wichtigkeit, Mittel zur Erzeugung von Unsicherheit zu kennen und zu verstehen. Im folgenden Artikel sollen – unter anderem basierend auf “Uncertainty in Games” von Greg Costikyan – einige solche vorgestellt werden. Zudem wird auch darauf eingegangen, was schon im Ansatz alles schief gehen kann.

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The Walking Dead: Ein Spiel, das keines sein sollte

July 27, 2014

Clem

Vorab: The Walking Dead (TWD) von Telltale Games erzählt eine spannende und emotional mitreißende Handlung voller gut geschriebener Dialoge und vielschichtiger Charaktere. Es ist hochinteressant und macht großen Spaß, diese zu erleben.

Im Folgenden soll exemplarisch anhand der kürzlich erschienenen vierten Episode der zweiten Staffel gezeigt werden, dass TWD ganz ohne Gameplay noch viel besser wäre.

Vorsicht, Spoiler!

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Ein Weg nach vorn: Bedeutsame Interaktion

November 8, 2013

HLButton

Zu Beginn einer Vorlesungsreihe, die er 2007 an der Universität von Texas hielt, sprach Warren Spector (Ultima Underworld, System Shock, Deus Ex) über seine Design-Prämisse: Der Fortschritt des Mediums Spiel sei geknüpft an das Erkennen und das Ausnutzen derjenigen Eigenschaften, die Spiele von allen anderen Medien unterscheiden. Diese Aussage scheint zunächst beinahe trivialerweise wahr zu sein. Gute Spiele müssen logischerweise genau das gut machen, was sie zu einem Spiel werden lässt. Dennoch lohnt es sich, an dieser Stelle ein wenig tiefer in die Materie einzusteigen und sich Gedanken darüber zu machen, was denn nun eigentlich Spiele zu etwas Besonderem, zu einem in der Tat einzigartigen und an sich erforschenswerten Medium macht. Dieser Ansatz läuft schließlich auf die Frage hinaus, was auf fundamentaler Ebene hinter Spielen als “ästhetische Form” (geprägt durch Frank Lantz, Leiter des Game Centers der New Yorker Universität) steckt und sie von anderen in diese Kategorie einzuordnenden Medien abhebt. Im Folgenden soll ein möglicher Ansatz zur Beantwortung dieser Frage präsentiert und zudem auf unter dieser Prämisse möglicherweise aufkommende Gefahren eingegangen werden.

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Jonathan Blow: Spiele und die menschliche Natur

September 20, 2013

Eine Zusammenfassung eines wichtigen Vortrages zum schlimmen Zustand des Mediums Videospiel, der dazugehörigen Industrie sowie der verqueren öffentlichen Bewertung und Betrachtungsweise.

BrainParasite

Hat diese Ameise “Spaß”?

Blow beginnt seinen Vortrag mit einer Dokumentation über von einem Hirnparasiten befallene Ameisen. Dieser Parasit “versklavt” die Ameisen und kontrolliert ihre Handlungen, um einen Vorteil daraus zu ziehen. Letztlich zwingt er sie dazu, sich von Kühen fressen zu lassen, um so in den Organismus der Kuh einzudringen und dort zu wachsen. Dieses Vorgehen heißt parasitäre Gedankenkontrolle.

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Von Skinner-Boxen, operanter Konditionierung und Videospielen

July 20, 2013

Obiges Video erläutert auf vernünftige Art und Weise den Einsatz von Skinner-Box-Methoden (z.B. RPG-Elemente, “Loot”, und planmäßige Belohnungen im Allgemeinen) in modernen Videospielen zwecks Konditionierung (man könnte auch sagen “psychologisch ausgefeilter Verarsche”) der Spieler. In Zeiten der Ausnutzung solch induzierten Zwangsverhaltens durch das Geschäftsmodell “Free To Play” ist dies ein immer schwerer wiegendes Problem als ohnehin schon. So weit, so gut und wichtig die Kritik (abgesehen von der im Video sehr strikt wirkenden Trennung von Konditionierung und Sucht, obwohl beide Konzepte offensichtlich in starkem Zusammenhang stehen).

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Spiele als geschichtenerzählendes Medium

June 17, 2013

gamersglobal

Hinweis: Eine um einen zusätzlichen Beitrag erweiterte Fassung dieses Artikels wurde auf GamersGlobal veröffentlicht!


Definitionen

  • Story meint im Kontext dieses Artikels eine von einem oder mehreren Autoren behutsam geplante, lineare – jedoch nicht notwendigerweise chronologische – Abfolge fiktiver Ereignisse.
  • Spiel meint ein System von Regeln zur Erzeugung eines Wettkampfes bestehend aus nicht-trivialen Entscheidungen mit permanenten Konsequenzen im Kontext eines spezifischen zu erreichenden Ziels.

HeavyRainHadouken
Spiel-Film

Gewohnheitssache

Seit Jahrzehnten sind wir es – insbesondere im Bereich der Videospiele – gewohnt, Spiele vor allem als geschichtenerzählendes Medium zu verstehen. Passenderweise als “Blockbuster-Games” bezeichnete Software dominiert die AAA-Entwicklung und auch die der jüngst aufblühenden Indie-Szene zugehörigen Titel werben zumeist mit einer “fesselnden Handlung”. Im Folgenden einige Denkanstöße, warum die Verknüpfung von Story und Spiel möglicherweise von Anfang an eine ziemlich schlechte Idee war.

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